Institut für Sexualwissenschaft (1919-1933)eine Online-Ausstellung der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft

Infantilismus

Nicht nur den Platz eines Menschen in der Zwischenstufenskala zwischen “Vollmann” und “Vollweib” führt Hirschfeld auf die Funktion der Geschlechtsdrüse 6 zurück, sondern auch den Entwicklungsstand. Das Stehenbleiben von Körper oder Seele auf einer jüngeren Stufe, den Infantilismus, teilt er analog den “sexuellen Zwischenstufen” in vier Grundformen auf:

Als “genitalen Infantilismus” bezeichnet Hirschfeld das “Zurückbleiben der Genitalien auf kindlicher Stufe”.

Ausdruck von “körperlichem Infantilismus” seien ungewöhnlich jugendliches Aussehen, weiche Gesichtszüge, zierlicher Knochenbau, schwache Muskeln und verkleinerte innere Organe. 1

Der “psychische Infantilismus” besteht nach Hirschfeld in der Beibehaltung der “seelischen Art” eines Kindes. Eine “gewisse Verwandtschaft zu leichteren Graden des Schwachsinns” sei festzustellen. Unter der psychischen Variante des Infantilismus faßt Hirschfeld auch den “Zisvestismus”, das Tragen von Kinderkleidung im Erwachsenenalter. 2

Im Gegensatz zu diesen “harmlosen” Formen, wird es für Hirschfeld problematisch, wenn die sexuelle Komponente hinzutritt: beim “psychosexuellen Infantilismus”(vgl.Forensik). Hierzu rechnen Hirschfeld und seine Institutskollegen (Kronfeld, Abraham) die Pädophilie. Deren Beurteilung scheint bei Hirschfeld vor allem von Moral und Gesetz bestimmt zu sein:

“(…) wir werden einen Kinderschänder, der sich in ebenso läppischer wie verhängnisvoller Weise an kleinen Kindern vergreift, anders zu beurteilen haben wie jemanden, der sich zu Personen hingezogen fühlt, bei denen die Geschlechtsreife bereits eingesetzt hat.
(…) Das Allerentsetzlichste aber ist, daß sich der infantilistische Sexualtrieb gelegentlich auch mit eigenartig sadistischen Antrieben vergesellschaftet. In diese Gruppe gehören die infantilen Kindermörder…” (Hirschfeld 1926) 7

Während die Gegner der Senkung des Schutzalters und der Abschaffung des §175 RStGB häufig den Zusammenhang von Homosexualität und Pädophilie/Kindesverführung behaupten, zieht Hirschfeld zwischen beiden eine scharfe Trennlinie. Er betont auf der einen Seite die “Natürlichkeit” von Homosexualität (zu der nicht verführt werden kann) und belässt auf der anderen Seite die Pädophilie im Bereich des Verachtungswürdigen, Pathologischen – in der Nähe von Mord.

Als Therapie empfiehlt Hirschfeld bei “Kinderschändern” die Kastration. Sie wirke bei ihnen in dreifacher Weise “erstens als Strafe, zweitens zwecks Sterilisierung (Verhütung von Nachkommen), drittens zwecks Heilung”.

Infantilismus
Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Infantilismus

Nicht nur den Platz eines Menschen in der Zwischenstufenskala zwischen “Vollmann” und “Vollweib” führt Hirschfeld auf die Funktion der Geschlechtsdrüse 6 zurück, sondern auch den Entwicklungsstand. Das Stehenbleiben von Körper oder Seele auf einer jüngeren Stufe, den Infantilismus, teilt er analog den “sexuellen Zwischenstufen” in vier Grundformen auf:

Als “genitalen Infantilismus” bezeichnet Hirschfeld das “Zurückbleiben der Genitalien auf kindlicher Stufe”.

Ausdruck von “körperlichem Infantilismus” seien ungewöhnlich jugendliches Aussehen, weiche Gesichtszüge, zierlicher Knochenbau, schwache Muskeln und verkleinerte innere Organe. 1

Der “psychische Infantilismus” besteht nach Hirschfeld in der Beibehaltung der “seelischen Art” eines Kindes. Eine “gewisse Verwandtschaft zu leichteren Graden des Schwachsinns” sei festzustellen. Unter der psychischen Variante des Infantilismus faßt Hirschfeld auch den “Zisvestismus”, das Tragen von Kinderkleidung im Erwachsenenalter. 2

Im Gegensatz zu diesen “harmlosen” Formen, wird es für Hirschfeld problematisch, wenn die sexuelle Komponente hinzutritt: beim “psychosexuellen Infantilismus”(vgl.Forensik). Hierzu rechnen Hirschfeld und seine Institutskollegen (Kronfeld, Abraham) die Pädophilie. Deren Beurteilung scheint bei Hirschfeld vor allem von Moral und Gesetz bestimmt zu sein:

“(…) wir werden einen Kinderschänder, der sich in ebenso läppischer wie verhängnisvoller Weise an kleinen Kindern vergreift, anders zu beurteilen haben wie jemanden, der sich zu Personen hingezogen fühlt, bei denen die Geschlechtsreife bereits eingesetzt hat.
(…) Das Allerentsetzlichste aber ist, daß sich der infantilistische Sexualtrieb gelegentlich auch mit eigenartig sadistischen Antrieben vergesellschaftet. In diese Gruppe gehören die infantilen Kindermörder…” (Hirschfeld 1926) 7

Während die Gegner der Senkung des Schutzalters und der Abschaffung des §175 RStGB häufig den Zusammenhang von Homosexualität und Pädophilie/Kindesverführung behaupten, zieht Hirschfeld zwischen beiden eine scharfe Trennlinie. Er betont auf der einen Seite die “Natürlichkeit” von Homosexualität (zu der nicht verführt werden kann) und belässt auf der anderen Seite die Pädophilie im Bereich des Verachtungswürdigen, Pathologischen – in der Nähe von Mord.

Als Therapie empfiehlt Hirschfeld bei “Kinderschändern” die Kastration. Sie wirke bei ihnen in dreifacher Weise “erstens als Strafe, zweitens zwecks Sterilisierung (Verhütung von Nachkommen), drittens zwecks Heilung”.