Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

„Sexualkatastrophe" 1914/18. Magnus Hirschfelds vergessener Kampf um eine andere Erinnerung an den Ersten Weltkrieg

Vortrag von Dr. Richard Kühl

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Es wird oft vergessen, dass Magnus Hirschfelds sexualwissenschaftlicher Klassiker „Sittengeschichte des Weltkrieges” von 1930 nicht nur eine für seine Zeit ungewöhnliche Fragestellung verfolgte, sondern auch Teil einer Debatte um Erich Maria Remarque und die „wahre” Schilderung des „Kriegserlebnisses” war, die zehn Jahre nach dem Ersten Weltkrieg entbrannte. Remarque hatte seinen Welterfolg „Im Westen nichts Neues” 1928 vorgelegt, und der Roman wurde noch im selben Jahr in 26 Sprachen übersetzt. Weitere Bekanntheit erreichte er durch die US-amerikanische Verfilmung von Lewis Milestone (1930), die mit zwei Oscars ausgezeichnet wurde.

Magnus Hirschfeld diagnostizierte in seiner „Sittengeschichte” eine epochale Wirkung des Ersten Weltkrieges auf die sexuelle und geschlechtliche Sphäre in allen an der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ kriegführend beteiligt gewesenen Ländern. Der Vortrag Richard Kühls, Medizin- und Zeithistoriker in Düsseldorf, fragt danach, auf welchen Wissensbeständen Hirschfelds Diagnose aufbaute und welche Spuren seine Intervention um eine andere Erinnerung an den Krieg in der Weimarer Republik hinterließ.