Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

„Ich sah diese Vorgänge hier im Aktualitäten-Kino unter tiefster seelischer Erschütterung.“ (M. Hirschfeld, 1933)

Die Plünderung von Magnus Hirschfelds ‚Institut für Sexualwissenschaft’. Vortrag von Dr. Rainer Herrn

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Dr. Rainer Herrn. Foto: privat.

Meist wird die Plünderung des 1919 von Magnus Hirschfeld gegründeten Instituts für Sexualwissenschaft am 6. Mai 1933 durch Studierende zwar mit der Beschlagnahme von Büchern zur Verbrennung am 10. Mai in Verbindung gebracht, eine besondere Rolle wurde ihnen jedoch nicht zugeschrieben. Die herausragende Funktion tritt hervor, wenn man die mediale Inszenierung der „Aktion wider den undeutschen Geist“ in den Blick nimmt, als deren Auftakt die Plünderung fungierte, die schließlich zum Höhepunkt der Bücherverbrennung überleiten sollte.

Der schon im ausgehenden 19. Jahrhundert konstruierte Zusammenhang zwischen Homosexualität und Judentum bildete die Grundlage für religiöse und nationalistische Kreise, alle sexuellen Liberalisierungen als „jüdische Verschwörung“ zu brandmarken. Magnus Hirschfelds sexualwissenschaftliches und sexualreformerisches Schaffen war daher von Anfang an von antisemitischen und antimodernistischen Anwürfen und Schmähungen begleitet, die erstmals 1921 in einem Attentat auf offener Straße in München kulminierten.

Insbesondere die vielfältigen Tätigkeitsbereiche der Institutsmitarbeiter von der Ehe- und Sexualberatung über die Forschung zu sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten bis zur Aufklärungsarbeit für Jugendliche und Erwachsene, vor allem aber die sexualreformerischen Aktivitäten boten ab Mitte der 1920er Jahre willkommene Anlässe, die Einrichtung in der nationalsozialistischen Presse als subversiven, sittengefährdenden Ort und Symbol des auszulöschenden, liberalistischen Weimarer Geistes zu brandmarken.