Chronologie der Ereignisse 1933
30. 1. Hindenburg ernennt Hitler zum neuen Reichskanzler:
singende Nazigruppen feiern ihren Triumph mit Fackelzügen
31. 1. Der Institutsmitarbeiter Ewald Lausch bekennt sich im Institut als begeistertes Mitglied der NSDAP. Seit 1923 arbeitet er als Heilgehilfe in der radiologischen Abteilung. Nach dem Weggang Karl Gieses, der 1932 Hirschfeld ins Exil folgt, führt er Bibliothek und Archiv.
27. 2. Reichstagsbrand:
Nazi-Revolte, Massenverhaftungen politischer Gegner
5. 3. Wahlen, keine Mehrheit der NSDAP
23. 3. Zustimmung des Reichstags zum “Ermächtigungsgesetz”, das Hitler eine Alleinherrschaft zugesteht:
Berlin, ein Fahnenmeer mit Naziflaggen, Nazi-Patroullien auf den Straßen, “Ausländer” wird zum Schimpfwort
29. 3. Die Institutsmitarbeiter Lausch, Hauptstein und Röser berichten in einem Brief an Hirschfeld, der sich mit Karl Giese im Schweizer Exil aufhält, wohlwollend und beschwichtigend über Haussuchungen “in korrekter, sachlicher und höflicher Form” durch Kripo und Hilfspolizei. Sie erwähnen in ihrer Gegendarstellung zu den “Hetznachrichten aus Deutschland” allerdings auch Besuche “von scheinbar illegalen S.A.-Leuten” im Institut, die nach Hirschfeld “in Parteiangelegenheiten” fragten.
1. 4. Nazi-Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte: SA-Terror
6. 5. Plünderung des Instituts: 1 2 3 4 5
Vormittags kommen etwa hundert Sportstudenten von der “Deutschen Studentenschaft” mit LKWs und Blasmusik, riegeln das Institut ab. Mit einem Trompetensignal beginnen sie die Bibliothek zu plündern und verladen die Buchbestände. Die anschließende Kundgebung vor dem Institut findet mit einem dreifachen ‘Sieg Heil’ auf den Reichskanzler Adolf Hitler und dem Gesang des Liedes ‘Burschen heraus’ ihren Abschluss.
Nachmittags kommt ein SA-Trupp, um die verbliebenen Archivbestände zu konfiszieren.
Die beschlagnahmten Buch- und Archivbestände werden
“einer genauen Sichtung durch Sachverständige unterzogen, damit nicht Werke vernichtet werden, die für die medizinische Wissenschaft einen hohen Wert besitzen (…) Auch das Bildarchiv des Instituts, in dem Hunderte von Diapositiven lagerten, wurde einer eingehenden Untersuchung unterzogen und alles Undeutsche vernichtet…”, teilt die Zeitung “Germania” der katholischen Zentrumspartei tags darauf ihren Lesern mit.
10. 5. Spektakuläre Bücherverbrennung auf dem Opernplatz:
Bereits auf dem Fackelzug zum Scheiterhaufen trägt ein Student eine auf einen Stock aufgespießte Büste Hirschfelds. Dessen Schriften werden wie die vieler anderer verfemter Autoren anschließend in die Flammen geworfen. 6 7 8 9 10
14. 6. Offizielle Schließung des Instituts durch den Berliner Polizeipräsidenten von Levetzow, “da eine Weiterführung des Betriebes die öffentliche Ruhe und Ordnung erheblich gefährdet hätte”.
“Aufgrund des § 14 Polizeiverwaltungsgesetz und des § 1 der Verordnung vom 28.2.33 wird das Grundstück entschädigungslos beschlagnahmt.”
Von Levetzow legt dem Innenminister nahe, der “Hirschfeld-Stiftung” den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen, um bisherige Steuerermäßigungen als unrechtmäßig nachträglich einfordern zu können. Ein Verwalter soll mit der Finanzprüfung und Abwicklung beauftragt werden. Er schlägt vor, Vermögen und Stiftung einer Universität oder “hygienischen Zwecken” zuzuführen.
Acht Angestellte sind bis dato noch im Institut tätig, deren Gehälter rückständig sind. Der Dermatologe Bernhard Schapiro verlegt seine Praxis und fordert seine Einrichtungsgegenstände zurück. (Er emigriert noch 1933.)
Bis 1934 wohnen u.a. noch Hirschfelds Schwester, Recha Tobias, und auch die ehemalige Empfangsdame, Helene Helling, im Institutsgebäude.
Die Finanzbehörde fordert nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit mehr als 100 000 Reichsmark nachträglich für Körperschafts- und Umsatzsteuer. (siehe Das Institut und die Pharmaindustrie)
Nov. Das Berliner Finanzamt veranstaltet eine Versteigerung von Gegenständen “aus dem Besitz des bekannten Sexualforschers Dr. Magnus Hirschfeld, unter anderem eine 3000 Bände umfassende wissenschaftliche und schöngeistige Bibliothek, ferner ärztliche Apparate, Instrumente, Möbel usw.”, berichtet das Wiener Neue Journal.
1933/34 Zwangsverwaltung der “Hirschfeld-Stiftung” durch die “Fundament Treuhand A.G.”
Vermietung der Institutsräume an antikommunistische und antijüdische Institutionen, u.a. Gesamtverband deutscher antikommunistischer Vereinigungen, Bund Nationalsozialistischer Juristen, Institut zum Studium der Judenfrage, Nibelungen-Verlag