Günther von der Schulenburg, Reichsgraf
Günther Graf von der Schulenburg trat dem WhK bereits um 1900 bei, und von 1903 bis etwa 1908 fungierte er als Kontaktmann des Rheinisch-Westfälischen Subkomitees. Allerdings trat er nach mehreren öffentlichen Skandalen 1907 wieder aus dem WhK aus.
Zur Biografie
Günther Graf von der Schulenburg entstammte dem weitverzweigten Adelsgeschlecht Schulenburg. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Thüringen ging er zum Militär, wo er bis zum Rittmeister befördert wurde. Ab 1886 verwaltete er die Familiengüter und war finanziell unabhängig.
Ab 1887 war Günther von der Schulenburg mit der belgischen Adeligen Jeanne van de Walle verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder. Schulenburg selbst hatte gehofft, durch die Ehe von seinen homosexuellen Neigungen befreit zu werden.
Mehrfach wurden gegen Günther von der Schulenburg polizeiliche Ermittlungen wegen angeblicher sexueller Belästigungen durchgeführt, doch wurde er wegen dieser Anschuldigungen offenbar nie gerichtlich belangt. Als um 1898 Kölner Zeitungen über Schulenburg und seine Annäherungsversuche an einen Gymnasiasten berichteten, kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Schulenburg und seiner Familie. Von einer geplanten Kandidatur zum Reichstag musste er zurücktreten.
Schulenburg wurde wegen mehrerer Fälle von Fehlverhalten von ehemaligen Freunden und Bekannten gesellschaftlich geächtet und gemieden. So unterrichte Schulenburg, als er von der beabsichtigten Heirat Joseph von Fürstenbergs erfuhr, dessen zukünftigen Schwiegervater über von Fürstenbergs Homosexualität. Von Fürstenberg nahm sich wenige Tage darauf das Leben. Als Schulenburg Adolf Brand (1874–1945) dazu bringen konnte, den Reichskanzler Bernhard von Bülow als homosexuell zu „outen“, blieb er dem nachfolgenden Gerichtsverfahren fern, und Brand, der nun ohne Beweise dastand, wurde wegen Verleumdung zu einer langen Haftstrafe verurteilt. 1907 denunzierte Schulenburg Wilhelm Jansen (1866–1943), er habe einen „Päderastenclub aus Gymnasiasten“ gegründet, woraufhin Jansen alle seine Ämter niederlegen musste.
Infolge dieser Vorfälle bemühte sich Jeanne von der Schulenburg schließlich um die Entmündigung ihres Ehemannes. Ihrem Antrag wurde 1909 gerichtlich stattgegeben. In einem medizinischen Gutachten von 1911 wurde Günther von der Schulenburg „degenerativer Irrsinn“ und „Geistesschwäche“ bescheinigt.
Zur Zeit des Ersten Weltkriegs wurde Günther von der Schulenburg sowohl aus der Schweiz als auch aus Italien ausgewiesen. In Tirol, wo er über Grundbesitz verfügte, wurde er schließlich verhaftet. 1923 wurde Günther von der Schulenburg wegen Hochverrats zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt.
Weiterführende Literatur
In het Panhuis, Erwin (2006): Anders als die Andern. Schwule und Lesben in Köln und Umgebung 1895–1918 (hgg. vom Centrum Schwule Geschichte). Köln: Hermann-Josef Emons-Verlag, S. 47-61.