Walther Niemann, Dr. jur., Rechtsanwalt
Zur Biografie
(Martin Heinrich) Walther Niemann besuchte das Gymnasium in Neustrelitz, studierte in Leipzig, München und Halle und war anschließend Referendar in Magdeburg. Seine Dissertation Zur Lehre von der Drohung des § 123 im BGB insbes. von dem Begriffe der Widerrechtlichkeit wurde Anfang 1908 verteidigt. Später war Dr. jur. Walther Niemann Rechtsanwalt und Notar in Berlin W 10, Friedrich-Wilhelm-Str. 6a (am Lützowplatz). Eine letzte Adresse war (1934–1940) Kaiserallee 20, Berlin W15.
Niemann war seit 1911 mit Wilhelmine Klara Eichler verheiratet, die Tochter Ruth wurde 1912 geboren.
Walther Niemanns Sterbedatum ist nicht bekannt; er ist vor 1955 gestorben, vermutlich aber früher, denn am Wiedergutmachungsverfahren war er nicht beteiligt.
Walther Niemann wurde 1920 zum Obmann des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) gewählt, und von 1921 bis 1923 war er zudem Mitglied im Vorstand der Dr. Magnus-Hirschfeld-Stiftung. Aktiv wurde er auch im Aktionsausschuss des WhK und der Freundschaftsbünde zur Abschaffung des § 175 RStGB. Für diesen Ausschuss ging er zusammen mit Magnus Hirschfeld im Dezember 1921 als Delegierter zur Audienz beim neuen Justizminister Gustav Radbruch (1878–1949). Im gleichen Jahr war er Teilnehmer des ersten Kongresses für Sexualreform mit einem Beitrag über „Geschlechtsberichtigung in der modernen Gesetzgebung“ gewesen. Für das Institut fungierte Niemann als Justitiar. Er übernahm Rechtsberatung und -vertretung in Strafsachen und Eheangelegenheiten, bei Erpressungen und den von Transvestiten angestrebten Namensänderungen. In diesen Fällen erreichte er im Sommer 1920 eine generelle Regelung des Justizministers, dass die Amtsgerichte nach Prüfung des Einzelfalls die Erlaubnis zum Tragen eines geschlechtsneutralen Vornamens erteilen konnten, wenn dies für das Fortkommen der antragstellenden Person erforderlich war. In Berlin scheint dieses Verfahren bis in die frühen dreißiger Jahre üblich gewesen zu sein; es konnte binnen einiger Wochen abgeschlossen werden.
Walther Niemann vertrat das Institut auch in alltäglichen Bau-Angelegenheiten sowie Hirschfeld selbst in Rechtsangelegenheiten – wohl als Nachfolger von Siegfried Chodziesner (1872–1948). Hirschfeld hatte Niemann möglicherweise auch als persönlichen Vermögensverwalter eingesetzt, bevor er auf seine Weltreise ging.
Walther Niemann wurde am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Auch in den folgenden Jahren scheint er sich weiter für die Belange von Homosexuellen verwandt zu haben, soweit dies unter den geänderten Umständen möglich war. Ein bei den Akten der Gestapostelle Würzburg befindliches Schreiben vom Berliner GeStaPA vom Januar 1937 vermeldet über ihn: „Niemann ist Parteigenosse und wird seit einiger Zeit fast ausschliesslich bei der Kammer des Amtsgerichtsrats Sponer, Berlin, als Offizialverteidiger der Homosexuellen bestellt. […] Im allgemeinen erfreut sich Dr. Niemann eines sehr guten Rufes. Er ist verheiratet. Nachteiliges über ihn konnte nicht festgestellt werden“ (zit. nach Sternweiler 1997, S. 177).
Weiterführende Literatur
Sternweiler, Andreas (1997): Trotzdem leben, in: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums und der Akademie der Künste, 17. Mai bis 17. August 1997 [Katalog]: Berlin: Verlag rosa Winkel, S. 175-181.