Margarete Dost, Verkäuferin
Zur Biografie
Margarete Dost gehörte zu den engsten Vertrauten Magnus Hirschfelds. Sie – „meine Freundin Margarete Dost“ – ist neben seinem früheren Angestellten Franz Wimmer und seinem ärztlichen Freund Leopold Hönig in Karlsbad (Karlovy Vary) die einzige Person, die in Hirschfelds Testament mit einem größeren Legat bedacht wurde, ohne Mitglied seiner weitläufigen Familie zu sein oder dass Hirschfeld ihr noch einen versprochenen Betrag schuldig gewesen wäre, wie dies bei Ellen Bækgaard der Fall war, die Karl Gieses Ausbildung finanziert hatte.
Angeblich war Margarete Dost Hirschfelds Freundin aus jungen Jahren. Adelheid Schulz erinnerte sich, dass sie zu Zeiten des Instituts für Sexualwissenschaft immer Zugang zu Hirschfeld hatte. Margarete Dost war spätestens seit 1907 Mitglied des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK), sie wurde 1911 zur „Obmännin” gewählt und gehörte zwischen 1920 und 1926 als erste Frau vorübergehend dem Vorstand des WhK an. Die letzten Jahre seines Bestehens (1926–1933) hatte das WhK wieder einen reinen „Männervorstand”.
Überliefert ist auch, dass Hirschfeld Margarete Dost bestimmte, den bulgarischen Transvestiten Michael Dimitroff beim Einkauf seiner Frauenkleider in Berlin zu begleiten und zu beraten, was dieser sehr bedauerte – er wäre lieber mit Adelheid Schulz einkaufen gegangen.
Außer dass sie dem Obmännerkollegium und später zeitweilig dem Vorstand des WhK angehörte, ist wenig über Margarete Dost bekannt. Sie war eine Schwester des Fotografen und Fotografie-Historikers Wilhelm Dost (1886–1964), der vor 1913 die Fotografien für Hirschfelds Bilderwand der sexuellen Zwischenstufen angefertigt hat. Sie wohnte zeitlebens in Berlin und war nicht verheiratet. Die Einwohnermeldekartei notiert als ihre Adressen: „Berlin-Mitte, Gerhardstr. 13”, „Berlin-Friedrichshain, Stendaler Str. 12”, „Berlin-Tiergarten, Unionstr. 2” und zuletzt „Berlin-Tiergarten, Derfflingerstr. 21”.
Margarete Dost nahm gemeinsam mit Magnus Hirschfeld am 12. August 1919 an der Trauerfeier für Ernst Haeckel in Jena teil (vgl. Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 1919, S. 90). Hirschfeld sprach dort im Namen der Humboldt-Hochschule und der Berliner Ortsgruppe des Monistenbundes. Später hat Margarete Dost Hirschfeld zweimal in Paris besucht – zu Weihnachten 1933 und im Sommer 1934, wie aus ihren Einträgen in Hirschfelds Exil-Gästebuch hervorgeht.
1934 vermittelte Margarete Dost Magnus Hirschfeld den Rückkauf von über 2.000 Kilogramm Büchern, Manuskripten, Dokumenten, Fragebögen, Bildern und anderen Gegenständen, die sich einst im Institut für Sexualwissenschaft befunden hatten, aus einer Berliner Zwangsversteigerung. Der nationalsozialistische Zwangsverwalter hatte der Dr. Magnus Hirschfeld-Stiftung zuvor angeboten, sie könne ihre „wissenschaftlichen Sachen” für einen Gegenwert von 4.000 Reichsmark zurückerhalten.
Möglicherweise war Margarete Dost lesbisch. Als der Publizist und langjährige Mitarbeiter Hirschfelds im WhK Kurt Hiller Ende der 1940er Jahre die lesbische Journalistin Eva Siewert (1907–1994) kennenlernte und diese ihn brieflich nach Frauen aus dem Umfeld Hirschfelds fragte, nannte Hiller ihr gegenüber den Namen Dosts und den von Gertrud Topf. Eva Siewert antwortete: „Die Damen Dost und Topf dürften schwer wiederzufinden sein. Schade, schade. Ich kannte sie nicht.“
1965 hieß es in der Zeitschrift für Freikörperkultur Helios, Magnus Hirschfeld habe sich stets für Frieden und Verständigung unter den Menschen sowie den Schutz von Minderheiten eingesetzt: „Das bezog sich auch auf die uneheliche Mutterschaft und die Homosexuellen. Zu Unrecht ist er deswegen selbst als homosexuell angesehen worden. Seine Frau starb 1954 in Berlin; er selbst als Flüchtling und Jude im Exil 1936.” Diese Bemerkungen sind gleich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Mit Hirschfelds Frau war offenbar Margarete Dost gemeint, die am 6. Dezember 1956 in Berlin verstarb.
Weiterführende Literatur
Anonym (1965): Wussten Sie das schon? In: Helios – Sonnenstrahl. Schriftenreihe für natürliche Lebensgestaltung. Nr. 158, S. 28.
Bergemann, Hans, Ralf Dose und Marita Keilson-Lauritz. Hrsg. (2019): Magnus Hirschfelds Exil-Gästebuch. Unter Mitarbeit von Kevin Dubout. Leipzig, Berlin: Hentrich & Hentrich, S. 209-210.
Herzer, Manfred (2017): Magnus Hirschfeld und seine Zeit. Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, S. 102, 375-376.