Johanna Elberskirchen und Hildegard Moniac
Gedenkfeier und GedenktafelnAm Samstag, den 23. August 2003, fand eine Gedenkfeier mit der öffentlichen Übergabe der Grabstätte und der Einweihung von zwei Gedenktafeln für Johanna Elberskirchen (1864–1943) und Hildegard Moniac (1891–1967) statt.
Zu der Gedenkfeier hatte der Rüdersdorfer Bürgermeister Wilfried Kroll im Namen der Gemeinde Rüdersdorf herzlich eingeladen.
Ende 2002 hatte die Gemeindevertretung von Rüdersdorf bei Berlin beschlossen, die Grabstätte von Hildegard Moniac und Johanna Elberskirchen unter Schutz zu stellen. Im Jahr 2003 finanzierte sie zwei Grabtafeln mit Kurzporträts der beiden Frauen.
Johanna Carolina Elberskirchen (1864–1943)
Johanna Elberskirchen wurde am 11. April 1864 in Bonn geboren. Zunächst als Buchhalterin tätig, studierte sie, wie viele Frauen, denen nicht nur in Deutschland der Zugang zu den Universitäten verwehrt wurde, ab 1891 in der Schweiz: zunächst Medizin in Bern und später Jura in Zürich. Nach ihrer Rückkehr lebte sie überwiegend wieder in Bonn und von 1914 bis 1919 in Berlin, wo sie in der Säuglingsfürsorge arbeitete. 1920 zog sie mit ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac nach Rüdersdorf und eröffnete in ihrem gemeinsam gekauften Haus in der Luisenstraße 32 (heutige Rudolf-Breitscheid-Straße 57) eine Praxis für homöopathische Heilbehandlungen, die sie bis zu ihrem Tod führte – trotz Berufseinschränkungen durch die Nazis.
Johanna Elberskirchen erlangte überregionale und zeitgenössisch internationale Bedeutung als politische Rednerin und Schriftstellerin. Sie publizierte zu und engagierte sich für viele feministische Themen: Wahlrecht, geschlechtsspezifische Erziehung und Bildung, Frauenstudium, Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Mutterschaft und Kinderheilkunde. Sexualreformerisch und sexualwissenschaftlich setzte sie sich intensiv mit Ehe, Prostitution, Heterosexualität und Homosexualität auseinander. Insgesamt sind neben zahlreichen Aufsätzen und Zeitungsartikeln bis 1933 mindestens ein Dutzend Bücher in mehreren Auflagen von ihr erschienen – anfänglich unter dem Pseudonym Hans Carolan. Zudem gab sie eine Zeitschrift und einen Kalender heraus.
Johanna Elberskirchen war seit 1914 eine der wenigen aktiven Frauen in der u.a. von Magnus Hirschfeld (1868-1935) gegründeten wissenschaftspolitischen Vereinigung Wissenschaftlich-humanitäres Komitee (WhK). Ende der zwanziger Jahre referierte sie für die Weltliga für Sexualreform. Ausgewiesen “rassenhygienische” Überlegungen waren ihr politisch fremd, sie schwamm aber durchaus im eugenischen Zeitgeist.
Als aktive Feministin und offen lesbische Frau war sie eine außergewöhnliche Brückenfigur zwischen Homosexuellenbewegung und dem radikalen Flügel der Alten Frauenbewegung. Außerdem war sie eine engagierte Sozialdemokratin: in Bonn schwerpunktmäßig für die Bereiche Arbeitsschutz und Bildung der proletarischen Jugend. Regelmäßig besuchte sie in Rüdersdorf die Parteiversammlungen, und es soll keine gegeben haben, in der sie sich nicht zu Wort meldete, insbesondere um über “Frauenfragen” zu sprechen.
Johanna Elberskirchen starb am 17. Mai 1943 im Alter von 79 Jahren in Rüdersdorf. Bis zu ihrem Tod lebte sie mit zwei ihrer Schwestern, Ida und Laura und ihrer Freundin im Haus in der Luisenstraße. Die kleine schwarze Elberskirchensche Urne wurde im Juni 1975 heimlich in der Grabstätte ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac auf dem Friedhof Breitscheidstraße beigesetzt.
Hildegard Helene Friederike Moniac (1891–1967)
Hildegard Moniac wurde am 29. März 1891 in Friedenau, Kreis Teltow, geboren. In Berlin aufgewachsen, absolvierte sie 1911 im Lette-Verein, der unter anderem Berufsqualifizierungsmaßnahmen für Frauen durchführte, ihre Prüfung als Gewerbeschullehrerin für Schneiderei und Putz. In der Zeit von 1913 bis 1933 war sie in der Spreemetropole als Gewerbeoberschullehrerin tätig; dann wurde sie nach § 4 des sog. Berufsbeamtengesetzes als ‘politisch unzuverlässig’ durch die Nationalsozialisten entlassen.
Seit Ende der dreißiger Jahre unterstützte sie ihre kranke Lebensgefährtin Johanna Elberskirchen in deren homöopathischer Praxis in Rüdersdorf. Die beiden Frauen hatten sich 1914 kennengelernt und lebten bis 1919 in Berlin. Ein Jahr später zogen sie nach Rüdersdorf und kauften sich dort gemeinsam ein Haus in der damaligen Luisenstraße 32. Während der Weimarer Republik war Hildegard Moniac Mitfrau in der USPD und organisierte gemeinsam mit SPD-Genossen bis 1933 die Jugendweihe in Rüdersdorf. 1945/46 war sie bis zur umstrittenen Vereinigung von SPD und KPD zur SED in der SPD aktiv. Rüdersdorfer ZeitzeugInnenberichten zufolge machte sie sich später in der SED um die SeniorInnenarbeit verdient.
Nachdem die Rote Armee das von ihr nach Kriegsende besetzte Gebäude der Grundschule Alt-Rüdersdorf verließ, wurde die seit 1881 existierende Schule unter Leitung von Hildegard Moniac am 15. Oktober 1945 wieder eröffnet. 1951 wurde sie “im Interesse des Dienstes” an die ortsansässige Berufsschule versetzt. Als Hintergrund ihrer Versetzung, die vom Protest seitens der Elternschaft begleitet wurde, lassen sich politische Motive und damit in Zusammenhang stehend möglicherweise auch ihre Homosexualität vermuten. 1954 schied sie gesundheits- und altersbedingt aus dem Schuldienst aus.
Bis zu ihrem Tod am 3. August 1967 mit 76 Jahren lebte Hildegard Moniac mit ihrer späteren Lebensgefährtin Luitgarde “Luli” Kettner (1914–1977), ebenfalls Lehrerin der Alt-Rüdersdorfer Grundschule, im Haus in der Luisenstraße.
Am 5. Dezember 2002 beschloss die Gemeindevertretung Rüdersdorf bei Berlin einstimmig die Unterschutzstellung der Grabstelle Hildegard Moniac/Johanna Elberskirchen auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheid-Straße.