Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft

Zweierlei Erinnerung – ?

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Großer Zulauf im Tiergarten bei der Enthüllung des Denkmals für die erste deutsche Homosexuellenbewegung – und nur ein paar versprengte Unentwegte drei Tage später am Gedenkort Klinkerwerk/KZ Sachsenhausen. Wo waren die LSBTIQ*Organisationen, die ihren Daseinszweck aus dem “Nie wieder” beziehen, anlässlich des 75. Jahrestages der Mordaktion im KZ-Aussenlager Klinkerwerk?

Neu: Mit einem Link zur Video-Dokumentation der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Mordaktion im Klinkerwerk

Am 7. September 2017 wurde am Magnus-Hirschfeld-Ufer in Berlin das Denkmal für die erste deutsche Homosexuellen-Bewegung der Öffentlichkeit übergeben. Der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, hielt die Eröffnungsrede. Am Abend fand im Centrum Judaicum aus dem gleichen Anlass und zur Feier des 25jährigen Bestehens des LSVD ein Festakt statt, bei dem der Senator für Kultur und Europa, Dr. Klaus Lederer, die Festrede hielt. Beide Veranstaltungen waren sehr gut besucht.

Schön, dass es dieses Denkmal nun endlich gibt, und der LSVD hat sich um dessen Realisierung verdient gemacht. Aber: Auch wenn das Erinnerungsvermögen des LSVD vielleicht nur die letzten 25 Jahre umfasst: die Geschichte des Gedenkens hat nicht mit der Gründung des LSVD begonnen. Die beiden Denkmale für Magnus Hirschfeld und für das Institut für Sexualwissenschaft – initiiert von der HuK und der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und realisiert mit Hilfe der Bezirksämter in Charlottenburg und Tiergarten – wurden bereits 1994 und 1995 enthüllt. Der Vorschlag einer Straßenbenennung nach Hirschfeld findet sich schon 1982 in unseren Schreiben an die damaligen westberliner Parteien und 1983 im Protokoll der Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten.

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Was aber gar nicht geht: Am 10.September 2017 fand auf Einladung des Gesprächskreises Homosexualität der Advent-Zachäus-Gemeinde, der AG Queergrün Brandenburg und Berlin, der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V., und von Katte – Kommunale Arbeitsgemeinschaft Tolerantes Brandenburg e. V. in Zusammenarbeit mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten eine Gedenkveranstaltung für die ermordeten Homosexuellen am Gedenkort für das KZ Außenlager Klinkerwerk in Oranienburg statt. Die Organisationen der LSBTIQ-Bewegung beziehen ihre raison d’être zu einem großen Teil aus der Erfahrung der Verfolgung und Vernichtung Homosexueller im Nationalsozialismus und sind – zu Recht – stolz darauf, in diesem Jahr die Durchsetzung der Ehe für alle und die Entschädigung für die nach § 175 StGB Verfolgten durchgesetzt zu haben. Wie kann es dann sein, das 75 Jahre nach der Mordaktion im Sommer 1942 im Außenlager Klinkerwerk bei der nur spärlich besuchten Veranstaltung kein einziger Vertreter irgendeiner dieser Organisationen anwesend war?